Carbon Capture dank Photosynthese-Booster

Mit Hilfe von Licht CO2 zerlegen und binden: Was die Natur schon kann, wollen zwei neue Forschungsgruppen nun deutlich effizienter gestalten

Auf den Punkt gebracht

  • CO2-Reduktion: Zwei neue Forschungsgruppen der Max-Planck-Gesellschaft arbeiten an einer effizienteren Form der Photosynthese, um CO2 mit Sonnenlicht zu zerlegen und zu binden.
  • Innovative Methoden: Der erste Forschungsansatz entwickelt mittels Computational Protein Design und Directed Evolution künstliche Enzyme, die die Photosynthese optimieren.
  • Cyanobakterien: Der zweite Forschungsansatz konzentriert sich auf angepasste Cyanobakterien, die in ihren Pflanzenzellen mehr CO2 speichern.
  • Carbon Capture and Utilization: Neben der Speicherung von CO2 streben die Gruppen auch an, den gewonnenen Kohlenstoff für nachhaltige Produkte zu nutzen – wichtig für eine zukünftige Kreislaufwirtschaft in der chemischen Industrie. 

Die Max-Planck-Gesellschaft bringt ab dem 1. Juli 2025 zwei neue Forschungsgruppen an den Start, die den Kern der Photosynthese deutlich effizienter gestalten wollen. Mit Hilfe des Sonnenlichts sollen CO2 in seine Bestandteile aufgebrochen und diese fixiert werden. Die Forschung dazu steckt noch in den Kinderschuhen. Sobald aber die Skalierung gelingt, könnten große Mengen CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden. Klar ist aber auch: Es ist noch ein langer Weg. Und die beiden Forschungsgruppenleiter und Biochemiker Adrian Bunzel und Andreas Küffner wissen: Heutige Carbon-Capture Lösungen sind zu teuer und zu ineffizient, die Risiken bei der Einlagerung oder Verpressung im Boden teils nicht abschätzbar. Dennoch wird es auch Jahrzehnte in der Zukunft nötig sein, Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu binden, zumal sich Emissionen etwa in der Chemie- oder Zementindustrie wohl nicht gänzlich verhindern lassen werden. Daher gilt es besser heute als morgen die Lücken der Grundlagenforschung zu schließen.

„Die Natur ist konservativ“

Adrian Bunzel forschte bereits als Nachwuchsgruppenleiter an der ETH Zürich an sogenannten photoaktiven Enzymen für die biologische Photovoltaik. Enzyme sind die Katalysatoren der Natur und beschleunigen biochemische Reaktionen. Seine Photoenzyme generieren mithilfe von Sonnenlicht Elektrizität. Am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie zielt Bunzel auf neue Enzyme ab, die wie Pflanzen die Energie des Sonnenlichts nutzen, um CO2-Moleküle in ihre Einzelteile zu zerlegen und zu binden. In der Natur bindet die Photosynthese aber aufgrund sehr komplexer Reaktionswege nur etwa ein Prozent des theoretisch verfügbaren Kohlenstoffs in Biomasse ein. „Die Natur ist konservativ“, sagt Tobias Erb, Direktor am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie. „Sie hat mit der Photosynthese einen ausreichenden aber ineffizienten Weg etabliert, um CO2 mittels Sonnenlicht zu zerlegen.“ In seiner Forschung wird Adrian Bunzel künstliche Photoenzyme herstellen, die die natürliche Photosynthese stark vereinfachen und somit deren Effizienz erhöhen.

Bunzel setzt dabei auf zwei hochaktuelle Methoden: Computational Protein Design – also die computergestützte Entwicklung neuer Proteine – und Directed Evolution, eine Technik, die die natürliche Evolution im Labor nachahmt, um Enzyme gezielt durch Mutationen und Selektion zu verbessern. Beide Methoden wurden in den vergangenen Jahren mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. „Es ist wie fliegen lernen“, sagt Tobias Erb. „Wir haben beobachtet, wie Vögel fliegen und den Auftrieb studiert. Dann baute man das Flugzeug, aber ohne Federn. Es sieht nicht so aus wie ein Vogel, tut aber, was es soll und in Teilen sogar besser, spezifischer und effizienter.“ Für Adrian Bunzel öffnet das ein Tor hin zu ganz neuen Möglichkeiten: „Das ist Bioengineering mit Präzision. Es geht jetzt nicht mehr darum wie wir die Biologie manipulieren, sondern was wir designen wollen“, sagt Bunzel. Die neuen Möglichkeiten im Protein Design lassen also zu, zu fragen: Welche Proteine bringen einen Mehrwert, etwa, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?

Bessere Bakterien für die Photosynthese

Andreas Küffner wird die Effizienz der Photosynthese am Max-Planck-Institut für multidisziplinäre Naturwissenschaften auf ganz andere Art steigern. Er sorgt dafür, dass sich in den Organellen der Pflanzenzellen mehr CO2 als Ausgangsmaterial anreichert, als in der Natur üblich. Denn wo mehr da ist, kann auch mehr verwertet werden. Das Konzept hat Andreas Küffner bereits in seinem Postdoc im Labor von Tobias Erb entwickelt und demonstriert. Es hilft auch eine fundamentale Limitation der Natur zu umgehen, die mit dem nativ vorkommenden Enzym deutlich weniger CO2 in Zellen fixiert. Konkret arbeitet er an Cyanobakterien, das sind Bakterien mit der Fähigkeit zur Photosynthese. „Organelle in Bakterien sind wie kleine Reaktoren. Sie sind dafür da, CO2 einzufangen und zu konzentrieren“, sagt Andreas Küffner. Und Cyanobakterien haben noch einen Vorteil, sie wachsen leicht und schnell und lassen sich genetisch einfach manipulieren. „Wir könnten auch mit Algen arbeiten, die sind genetisch aber schwieriger“, sagt Küffner. Beide, Algen und Cyanobakterien betreiben Photosynthese, beide ließen sich in spezialisierten Verfahren skalieren. Perspektivisch denken einige vielleicht an mehrstöckige Gewächshäuser mit Plexiglaszylindern, darin grünlich schimmernde Schlieren. Das könnte für Algen gut funktionieren. Aber Cyanobakterien wachsen vor allem gut in offenen Gewässern oder Pools. Das Bild einer dicken und hellgrün schimmernden Brühe kennen viele etwa von der Ostsee. Der Nachteil in der freien Natur: Die Bakterien entziehen dem Wasser Sauerstoff. Wären also etwa künstliche Pools denkbar? „Auf die Skalierung zielt meine Forschung nicht ab“, sagt Küffner. Stattdessen kümmert er sich um ein anderes Problem, denn Cyanobakterien brauchen Stickstoff und Phosphor, um zu gedeihen. Dieser Dünger bedeutet einen hohen Ressourcenaufwand und bei seiner Herstellung entsteht CO2, welches das Klima zusätzlich belastet.

Ein langer Weg bis zur Anwendung

Was beide Forschungsgruppen verbindet, ist also die Photosynthese. „Licht ist ist überall da, es ist einer der nachhaltigsten Energiequellen, die es gibt“, sagt Tobias Erb. Ansonsten verfolgen beide Gruppen eigene Ziele. Während Andreas Küffner mit und an Zellen arbeitet, testet Adrian Bunzels seine Photoenzyme zunächst „in vitro“, also im Reagenzglas, ehe er sie „in vivo“ in den Metabolismus eines echten Organismus zur Photosynthese einbauen wird. Und das kann dauern: „Von der Idee eines Enzyms bis zur Pflanze vergehen gerne mal mehr als zehn Jahre“, sagt Tobias Erb. Auf dem Weg kann noch viel passieren, das ist eine der Qualitäten der Grundlagenforschung. „Wenn etwas nicht klappt, hat das auch einen Wert. Wenn man es nicht versucht hat, wird man nie wissen, ob es funktioniert hätte“, sagt Andreas Küffner. Um das Feld schon heute bestmöglich zu erforschen und morgen einen Beitrag zu einer lebenswerteren Zukunft zu leisten, besetzt die Max-Planck-Gesellschaft mit Andreas Küffner und Adrian Bunzel zwei gänzlich neue Forschungszweige.

Kohlenstoff speichern und nutzen

Das Grundproblem ist indes bekannt: Deutschland emittierte im Jahr 2023 etwa 600 Millionen Tonnen CO2, weltweit gelangen pro Jahr immer noch mehr als 40 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) des anheizenden Treibhausgases in die Atmosphäre. Netto führt das zu einem Aufheizen des Klimas. „Angenommen, wir wollten bis zu 40 Gigatonnen CO2 pro Jahr aus der Luft ziehen, kann das kein einzelnes Technik-Konzept leisten. Und das muss es auch nicht, am Ende können es ein Mix verschiedener Lösungen sein“, sagt Adrian Bunzel. Dazu zählt immer auch, zu vermeiden, dass Emissionen überhaupt erst entstehen. Und was, wenn in Zukunft 90 Prozent der Emissionen vermieden würden? „Dann wird man laut Vorhersagen immer noch drei bis fünf Gigatonnen CO2 aktiv einfangen müssen“, sagt Tobias Erb.

Wenn man es nicht versucht hat, wird man nie wissen, ob es funktioniert hätte.
Dr. Andreas Küffner

Die bisher einzige technische Großanlage zur CO2-Bindung direkt aus der Umgebungsluft steht in Island. Nach wie vor wird kontrovers diskutiert, ob und wie stark man bei der globalen Dekarbonisierung auf solche Ansätze setzen sollte. Denn technische Abscheidungsverfahren haben neben den offensichtlichen Vorteilen auch Herausforderungen, insbesondere, wenn es darum geht, das CO2 sicher zu speichern. Daher auch das Kürzel CSS für Carbon Capture and Storage. Und die Filteranlage in Island ist zu teuer. Jede Tonne gefiltertes CO2 kostet über 1.000 Euro. Dem gegenüber steht ein deutscher CO2-Preis von nur 55 Euro pro Tonne des Treibhausgases. Es wäre in Zukunft aber denkbar, CO2 zumindest da zu fixieren und zu speichern, wo es entsteht. Der gewonnene Kohlenstoff ließe sich nutzen und chemisch in Kunststoffe oder andere Materialien einbauen, die im Alltag benötigt werden. Carbon Capture and Utilization nennt sich das Verfahren. Andreas Küffner und Adrian Bunzel verfolgen gleich beide Ziele. „Indem wir das CO2 in den biologischen Stoffwechsel einbauen, kann man es danach nutzen um praktisch jede Chemikalie herzustellen, die wir biologisch produzieren können“, sagt Adrian Bunzel. Mögliche Produkte wären etwa Biokraftstoffe oder Ausgangsstoffe für die chemische Industrie, die nachhaltig produziert sind.

BEU

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