Wasserstoffnutzung am Ursprung des Lebens

Forschende gewinnen neue Erkenntnisse darüber, wie die ersten Zellen auf der Erde H2 als Energiequelle nutzen konnten

Wasserstoffgas gilt als ein Schlüssel zu nachhaltiger Energie für die Zukunft. Gleichzeitig ist es eine uralte Energieform. Bereits die allerersten Zellen auf der Erde lebten von H2, das in hydrothermalen Schloten entstand. Nun lieferte ein Forscherteam Team um William F. Martin von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Martina Preiner vom Max-Planck-Institut (MPI) für terrestrische Mikrobiologie in Marburg, das von Forschenden in Deutschland und Asien unterstützt wurde,  neue Erkenntnisse darüber, wie die ersten Zellen auf der Erde dazu kamen, H2 als Energiequelle zu nutzen.

Wasserstoffgas ist ein sauberer Brennstoff. Zusammen mit Luftsauerstoff verbrennt es und liefert Energie ohne das Entstehen von CO2. Wasserstoff ist ein Schlüssel zu nachhaltiger Energie für die Zukunft. Auch wenn wir Menschen erst jetzt die Vorteile von Wasserstoffgas ( in der chemischen Kurzform H2) erkennen: Wasserstoff ist eine uralte Form von Energie. Mikroben kennen H2 schon lange als guten Brennstoff, und zwar seit es Leben auf der Erde gibt.

Gespenstische mikrobielle Lebensräume: die hydrothermalen Schlote der Tiefsee

Die allerersten Zellen auf der Erde lebten von H2, das in hydrothermalen Schloten produziert wurde, und nutzten die Reaktion von H2 mit CO2, um die Moleküle des Lebens zu erzeugen. Mikroben, die auf der Grundlage der Reaktion von H2 und CO2 wachsen, können in völliger Dunkelheit leben. Sie bewohnen gespenstische, urzeitliche Lebensräume wie hydrothermale Schlote in der Tiefsee oder heiße Gesteinsformationen tief in der Erdkruste - Umgebungen, in denen nach Ansicht vieler Wissenschaftler das Leben selbst entstanden ist. Nun wurden in der Zeitschrift PNAS überraschende neue Erkenntnisse darüber veröffentlicht, wie die ersten Zellen auf der Erde die Energiequelle H2 für sich nutzbar machen konnten. Die Studie stammt von einem Team um William F. Martin von der Universität Düsseldorf und Martina Preiner vom Max-Planck-Institut (MPI) für terrestrische Mikrobiologie in Marburg mit Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen in Deutschland und Asien.

Um Energie zu gewinnen, müssen die Zellen die Elektronen aus H2 zunächst energetisch `bergauf schieben`.  "Das ist so, als würde man einen Fluss bitten, bergauf statt bergab zu fließen, und deshalb brauchen die Zellen technische Lösungen", erklärt einer der drei Erstautoren der Studie, Max Brabender.

Ein „chemischer Flaschenzug“ macht H2 nutzbar

Wie diese technische Lösung aussieht, wurde erst vor 15 Jahren von Wolfgang Buckel und seinem Kollegen und MPI-Gründungsdirektor Rolf Thauer in Marburg entdeckt. Sie fanden heraus, dass die Zellen die beiden Elektronen im Wasserstoff auf getrennte Wege bringen. "Ein Elektron geht energetisch weit nach unten, und zwar so weit, dass es so etwas wie einen Flaschenzug (oder einen Siphon) in Bewegung setzt, der das andere Elektron energetisch quasi nach oben ziehen kann", sagt Buckel, Mitautor der Studie. Dieser Vorgang wird als Elektronen-Bifurkation bezeichnet. In den Zellen sind dafür mehrere Enzyme erforderlich, die die Elektronen zu einem sehr alten und wichtigen biologischen Elektronenträger namens Ferredoxin befördern.

Wie überwanden frühe Bakterien die Energiehürde?

Wie eine solche energetische Aufwärtsreaktion in der frühen Evolution, bevor es Enzyme oder Zellen gab, funktionieren konnte, war ein großes Rätsel. „Mehrere unterschiedliche Theorien haben Vorschläge gemacht, wie die Umwelt die Elektronen vor der Entstehung der Elektronenverzweigung energetisch nach oben zu Ferredoxin befördert haben könnte," sagt Bill Martin. „Wir haben nun einen Prozess identifiziert, der unter den einfachen und natürlichen Bedingungen von Hydrothermalquellen tatsächlich funktioniert."

Seit der Entdeckung der Elektronenbifurkation haben Wissenschaftler erkannt, dass dieser Prozess in Mikroben, die von H2 leben, sowohl sehr alt als auch absolut notwendig ist. Martina Preiner ist eine evolutionär orientierte Chemikerin, die sich mit ihrem Team am Marburger „Microcosm Earth Center“  mit den Auswirkungen der Umwelt auf Reaktionen beschäftigt, die Mikroben heute nutzen und die möglicherweise schon am Ursprung des Lebens genutzt wurden. Für die Forschenden stellte sich die schwierige Frage: Wie wurde H2 für die CO2-Bindung nutzbar gemacht, bevor es komplizierte Proteine gab? "Metalle liefern Antworten", sagt Martina Preiner. "Am Anfang des Lebens können Metalle unter alten Umweltbedingungen die Elektronen von H2 zugänglich machen. Wir können Relikte dieser ursprünglichen Chemie in der Biologie moderner Zellen sehen.“

Aber Metalle allein seien nicht genug, fügt Ko-Erstautorin Delfina Pereira aus Preiners Labor hinzu:  "Es muss auch H2 durch die Umwelt bereitgestellt werden." Solche Umgebungen finden sich in Hydrothermalquellen, in denen Wasser mit eisenhaltigem Gestein interagiert, wodurch H2 entsteht, und wo Mikroben noch heute von diesem Wasserstoff als Energiequelle leben.

Metallisches Eisen als Schlüssel zur frühen Wasserstoffnutzung

Hydrothermale Schlote, sowohl moderne als auch uralte, erzeugen H2 in solch großen Mengen, dass das Gas eisenhaltige Mineralien in glänzendes metallisches Eisen verwandeln kann. "Dass Wasserstoff aus Mineralien metallisches Eisen machen kann, ist kein Geheimnis", sagt Harun Tüysüz, Experte für Hightech-Materialien am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung Mülheim und Mitautor der Studie. "Viele Prozesse in der chemischen Industrie nutzen H2, um durch diese Reaktion Metalle aus Mineralien zu gewinnen." Überraschend ist nun, dass dies auch in der Natur geschieht, insbesondere an hydrothermalen Schloten, und dass dieses natürlich abgelagerte Eisen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des Lebens gespielt haben könnte.

Eisen war das einzige Metall, das in der neuen Studie identifiziert wurde, das in der Lage war, die Elektronen in H2 energetisch bergauf zu Ferredoxin zu schicken. Die Reaktion funktioniert jedoch nur unter alkalischen Bedingungen, wie sie in einer bestimmten Art von hydrothermalen Schloten herrschen.  Natalia Mrnjavac von der Düsseldorfer Gruppe und Erstautorin der Studie kommentiert:  "Dies passt gut zu der Theorie, dass das Leben in solchen Umgebungen entstanden ist. Das Faszinierende daran ist, dass solche einfachen chemischen Reaktionen eine Rolle in dem komplexen Entstehungsprozess gespielt haben. Wir können heute im Labor sehen können, wie diese Reaktionen unter den natürlichen und uralten Bedingungen der Hydrothermalquellen immer noch ablaufen."

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht