Wie Perlen auf einer Kette: Ein neues Modell der DNA-Segregation
Ein mathematisches Modell liefert neue Erkenntnisse zur Verteilung der Erbinformation während der bakteriellen Zellteilung
Wenn sich Zellen teilen, sind die präzise Aufteilung der Erbinformation und zuverlässige Vererbung ringförmiger DNA (Plasmide) entscheidend. Ein Forscherteam um Dr. Seán Murray vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie hat eine Computersimulation entwickelt, die den Schlüsselmechanismus dieses Vorgangs erklärt. Die Arbeiten ebnen den Weg für experimentelle Untersuchungen und zeigen grundlegende biochemische Prinzipien auf, die auch für die Synthetische Biologie und medizinische Anwendungen relevant sein können.
Die Weitergabe von Erbmaterial an die nächste Generation ist ein Prozess, der alle Lebensformen betrifft. Im Mittelpunkt steht dabei die korrekte Verteilung der kopierten Erbinformation an die Tochterzellen.
Einem Forscherteam um Dr. Seán Murray am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie ist es nun gelungen, diesen zentralen Prozess rechnerisch zu simulieren. Im Gegensatz zu experimentellen Techniken, deren Auflösung oft begrenzt ist, ermöglicht eine solche stochastische Modellierung, die zugrundeliegenden Prozesse zu entschlüsseln und die Feinstruktur der zuständigen Proteine besser zu verstehen.
Ein wesentlicher Schritt des Geschehens ist bei vielen Bakterien die Bildung eines großen makromolekularen Komplexes, des so genannten Partitionskomplexes, als Teil des sogenannten ParABS-Systems. Hier bewegt das ParB-Protein aktiv die DNA, indem es mit dem an die DNA gekoppelten ParA-Protein wechselwirkt. Damit der Komplex richtig funktioniert, sind präzise Wechselwirkungen der Protein-Untereinheiten mit der DNA erforderlich.
Trotz der Bedeutung dieses Ablaufs sind sowohl die Strukturen der Proteinkomplexe als auch die Mechanismen, die ihren Zusammenbau steuern, noch weitgehend ungeklärt. Basierend auf jüngsten Erkenntnissen hat das Team um Seán Murray nun ein Modell entwickelt, das zeigt, dass DNA und ParB-Dimere einem "Gleit- und Brückenprinzip" folgen können.
Doktorandin Lara Connolley ist Erstautorin der Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde. Sie konzentrierte sich auf den Prozess des Ladens von ParB-Dimeren auf die DNA, der in bestimmten Regionen, den so genannten ParS-Stellen, stattfindet. Die Forscherin erklärt: "Unserem stochastischen Modell zufolge binden sich ParB-Dimere an den parS-Stellen an die DNA, indem sie eine Art Klammer bilden und dann entlang des DNA-Strangs gleiten, ähnlich wie Perlen auf einer Kette. Wir haben auch berechnet, dass kurzlebige Brücken die DNA in haarnadel- und helixförmige Strukturen organisieren, um die DNA zu verdichten. Außerdem behindern diese Brücken das Gleiten nicht."
Seán Murray fügt hinzu: "Die überbrückenden Wechselwirkungen zwischen den Dimeren führen zur Biegung der DNA und erzeugen eine Vielzahl von Strukturen. Die weitere Erforschung dieser strukturellen Variationen ist möglicherweise der Schlüssel zum Verständnis der Rolle von ParB in verschiedenen biologischen Bereichen.“ Die Forscherinnen und Forscher sehen die Studie als wegweisend für Experimente, die auf den Entdeckungen aufbauen können.
Nun will das Team die Modellvorhersagen genauer überprüfen und validieren. Darüber hinaus werden weitere Studien an verschiedenen Bakterienarten dazu beitragen, die Vielfalt in der Struktur des Teilungskomplexes besser zu verstehen.
"Unsere Arbeit liefert einen wichtigen Einblick in die Funktionsweise der DNA-Segregation und gilt möglicherweise auch für viele verschiedene Bakterienarten sowie für ringförmige Plasmide, ringförmige DNA mit geringer Kopienzahl, denn diese werden ebenfalls durch das ParABS-System aufgeteilt ", sagt Seán Murray. "Auf solchen Plasmiden liegen Resistenzgene gegen Antibiotika. Neben der Bedeutung als Grundlagenforschung könnten diese Ergebnisse daher auch für die öffentliche Gesundheit von Bedeutung sein - sowohl für die synthetische Biologie als auch für medizinische Anwendungen.“