Christoph Diehl erhält Dissertationspreis für Synthetische Biologie

Der Max-Planck-Nachwuchswissenschaftler erhält die Auszeichnung für seine Erfolge bei der Entwicklung von künstlichen Stoffwechselnetzwerken

Dr. Christoph Diehl vom Marburger Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie ist der erste Preisträger des Dissertationspreises für Synthetische Biologie. Der Preis wurde während des International Synthetic Biology Workshop  am 20. März 2023 in Darmstadt überreicht. Im Interview erläutert der Preisträger die Inhalte seiner Forschungsarbeit.

Der Preis für Synthetische Biologie wurde in diesem Jahr erstmals  von der gemeinsamen Fachgruppe Synthetische Biologie der Deutschen Botanischen Gesellschaft (DBG), Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (DECHEMA), Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (GBM) und Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) verliehen. Er ist mit 500 EUR Preisgeld dotiert, das von Prof. Dr. Hans-Peter Deigner (Hochschule Furtwangen) gestiftet wurde. Christoph Diehl erhält die Auszeichnung für seine Forschung zum Engineering von in vitro Stoffwechselnetzwerken.

In seiner Promotionsarbeit am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie forschte Christoph Diehl an der Optimierung des CETCH-Zyklus. Dieser künstliche Stoffwechselweg zur effizienten Bindung und Umwandlung von CO2 wurde in der Abteilung „Biochemie und Synthetischer Metabolismus“ unter Leitung von Prof. Tobias Erb entwickelt. Am Beispiel des CETCH-Zyklus zeigte Christoph Diehl, wie solche Netzwerke durch Machine learning-Ansätze optimiert, modular erweitert und durch die Realisierung synthetischer Reaktionssequenzen flexibel betrieben werden können.

Herzlichen Glückwunsch, Dr. Diehl. Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an Ihrem Forschungsthema? Da der CETCH-Zyklus in der Natur nicht vorkommt, ist er die perfekte Blaupause, um zu lernen, welchen Herausforderungen man sich bei der Entwicklung und Optimierung von Stoffwechselwegen stellen muss. Neu entwickelte Stoffwechselwege werfen viele Fragen auf, z. B. wie die verschiedenen Enzyme ausbalanciert werden können, was passiert, wenn sie mit natürlichen Stoffwechselnetzen zusammengebracht werden, und welche Art von Stoffwechselwegen mit ihnen kompatibel sind.

Was fasziniert Sie an der synthetischen Biologie? Im Gegensatz zu bestehenden Stoffwechselwegen, die in der Regel in einer bestimmten Stoffwechselumgebung existieren, bieten neue Wege mehr Raum zur Erkundung und können von den Ideen der Forschenden stärker geprägt werden. Es gibt Datenbanken mit Tausenden von verschiedenen Enzymen aus allen Arten von Organismen. Wir Menschen können Enzyme aus sehr unterschiedlichen Organismen/Lebensräumen nehmen und sie so zusammensetzen, dass Lösungen entstehen, die die Natur vielleicht nie geschaffen hätte.

Woran forschten Sie im Rahmen Ihrer Dissertation? Das Hauptziel war es, durch Optimierung neuartige Stoffwechselwege zu charakterisieren. Die Optimierung führt in der Regel zur Identifizierung begrenzender Faktoren und damit zu einem besseren Verständnis der Systeme. Dies ist besonders wichtig, da das Endziel für die meisten Stoffwechselwege die Umsetzung in Zellen (in vivo) ist. Die  gründliche und gleichzeitig schnelle Charakterisierung in vitro kann dazu beitragen, den Arbeitsaufwand für die spätere Umsetzung in vivo, die im Allgemeinen komplexer ist, zu minimieren.
Ein Teilprojekt bestand darin, den CETCH-Zyklus mit anderen Stoffwechselwegen zu kombinieren, um Wertstoffe wie Terpene und Polyketide aus CO2 herzustellen. Mein Kollege Patrick Gerlinger und ich konnten zeigen, dass wir das Grundgerüst des Antibiotikums Erythromycin aus CO2 über ein Netzwerk von 54 enzymatischen Reaktionen herstellen können. Für dieses Projekt haben wir einen Mechanismus namens Anaplerose adaptiert, um Zwischenprodukte des CETCH-Zyklus, die als Substrate für die Biosynthese unseres Produkts verwendet werden, wieder aufzufüllen. Unsere Arbeit zeigt, wie neuartige anaplerotische Module entwickelt und angepasst werden können, um die synthetischen Fähigkeiten komplexer katalytischer in vitro-Reaktionsnetzwerke zu verbessern und zu erweitern.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie? Für die Optimierung mussten wir den kombinatorischen Raum des CETCH-Zyklus erforschen. Das bedeutete einen Arbeitsablauf zu entwickeln, mit dem Hunderte von Bedingungen getestet werden können. Um den Einsatz von Ressourcen wie gereinigten Proteinen zu reduzieren, galt es das Testvolumen zu verkleinern. Glücklicherweise verfügt unsere Gruppe über zwei akustische Liquid-Handler, die kleinste Volumina bis zu zweieinhalb Nanolitern transferieren können. Meine Kollegen Amir Pandi und Ali Yazdizadeh Kharrazi entwickelten einen Algorithmus für maschinelles Lernen (METIS). Diesen trainierten wir anhand der gewonnenen Daten, um den Weg iterativ zu verbessern. Dabei bekam ich großartige Unterstützung von Nicole Paczia und Peter Claus aus unserer Metabolomics-Einrichtung. Wir konnten einen modularen Optimierungsworkflow entwickeln, der auch von anderen Forschenden genutzt werden kann.

Was macht die Ergebnisse besonders, und wo sehen Sie das Anwendungspotenzial? Das Zusammenbringen und die gleichzeitige Ausführung von bis zu 54 Reaktionen ist im Hinblick auf die Herstellung von Wertstoffen ein erster Schritt in die Richtung dynamischer in-vitro-Katalysatornetze. Wie die Arbeit zeigt, verleihen anaplerotische Reaktionssequenzen, also Auffüllreaktionen, die dem Citratzyklus zuliefern, den katalytischen Netzwerken mehr Flexibilität. Für katalytische Systeme, die die Komplexität natürlicher Stoffwechselnetzwerke widerspiegeln, braucht es jedoch zusätzliche Regulierungsebenen. Hier gibt es neue Ansätze, die zellfreie Transkriptions-Translations-Systeme verwenden. Auch die jüngsten Versuche, den synthetischen Stoffwechsel mit lichtgesteuerten Energiemodulen zu koppeln, könnten den Weg für die Kontrolle komplexer enzymatischer Kaskaden und ihre Nutzung in der Biotechnologie ebnen.

Durch die Kombination unseres maschinellen Lernwerkzeugs METIS mit einem Liquid-Handler konnten wir also einen sehr leistungsfähigen und universellen Workflow zur Optimierung von Stoffwechselwegen etablieren. Dies eröffnet die Möglichkeit, in Zukunft Prototypen neuer Stoffwechselwege zu entwickeln, indem nur das Endprodukt gemessen wird, ohne dass eine Zwischenerkennung zur Aufdeckung von Engpässen erforderlich ist, wie dies bei manuellen Optimierungsverfahren der Fall ist. Dies wird dazu beitragen, einen schnelleren Einblick in neue, in der Natur vorkommende Stoffwechselwege zu gewinnen und die Übertragung in Zellen erleichtern.

Vielen Dank, Herr Diehl!  Ich möchte mich auch bei allen ehemaligen und aktuellen Mitarbeitenden des Labors für ihre Unterstützung in den letzten Jahren bedanken. Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, wird klar, dass dies eine Teamleistung war, die ohne die Arbeit und Unterstützung meiner Kolleginnen und Kollegen nicht möglich gewesen wäre. Und schließlich möchte ich Tobias Erb für seine Unterstützung während und nach meiner Promotion danken und das tolle Forschungsumfeld hervorheben, das er geschaffen hat, um kreative und unabhängige Projekte zu fördern.

 

 

 

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