Kluge Ratgeberin für die synthetische Biologie

Forschende des MPI-TM entwickeln anwenderfreundliches Softwaresystem zur Verbesserung biologischer Systeme

Maschinelles Lernen verändert alle Bereiche der biologischen Wissenschaft und der Industrie, sind aber in der Regel nur wenigen Nutzern in einer begrenzten Anzahl von Szenarien vorbehalten. Ein Forscherteam am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie unter der Leitung von Tobias Erb hat METIS entwickelt, ein modulares Softwaresystem zur Optimierung biologischer Systeme. Seine Benutzerfreundlichkeit und Vielseitigkeit zeigt das Forscherteam anhand einer Vielzahl biologischer Beispiele.

Design und Optimierung biologischer Systeme sind vor allem in der Biotechnologie und der synthetischen Biologie unverzichtbar, doch wird maschinelles Lernen mittlerweile in allen Bereichen der Biologie eingesetzt. Es ist jedoch offensichtlich, dass die Anwendung und Verbesserung von Algorithmen, d.h. Rechenverfahren, die aus Listen von Anweisungen bestehen, nicht leicht zugänglich ist. Gründe dafür sind nicht nur mangelnde Programmierkenntnisse, sondern oft auch ungenügende experimentell ermittelte Daten. An der Schnittstelle zwischen rechnergestützten und experimentellen Arbeiten braucht es daher effiziente Ansätze, um die Lücke zwischen Algorithmen des maschinellen Lernens und ihren Anwendungen in biologischen Systemen schließen.

Nun ist es einem Team am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie unter der Leitung von Tobias Erb gelungen, das maschinelle Lernen zu demokratisieren. In ihrer aktuellen Publikation in "Nature Communications" stellt das Team zusammen mit Kooperationspartnern am INRAe-Institut in Paris sein Werkzeug METIS vor. Seine Anwendung ist so vielseitig und modular aufgebaut, dass sie keine Computerkenntnisse erfordert und auf verschiedene biologische Systeme und mit unterschiedlichen Laborgeräten aufgesetzt werden kann. METIS ist die Abkürzung für Machine-learning guided Experimental Trials for Improvement of Systems und benannt nach der antiken Göttin der Weisheit und des Handwerks Μῆτις, wörtl. "weiser Rat".

Aktives Lernen, auch bekannt als optimale Versuchsplanung, nutzt Algorithmen des maschinellen Lernens, um auf der Grundlage früherer Ergebnisse interaktiv die nächste Versuchsanordnung vorzuschlagen - ein wertvoller Ansatz im Forschungslabor, insbesondere wenn eine begrenzte Anzahl von experimentell markierten Daten zur Verfügung steht. Einer der größten Engpässe ist hierbei jedoch die Datenmenge, die nicht immer ausreicht, um maschinelle Lernmodelle zu trainieren.

"Während aktives Lernen bereits den Bedarf an experimentellen Daten reduziert, gingen wir noch einen Schritt weiter und untersuchten verschiedene Algorithmen für maschinelles Lernen. Dabei haben wir erfreulicherweise ein Modell gefunden, das noch weniger von Daten abhängig ist", erklärt Amir Pandi, einer der Hauptautoren der Studie.

Um die Vielseitigkeit von METIS zu zeigen, setzte das Team es für eine Reihe von Anwendungen ein, darunter die Optimierung der Proteinproduktion, genetische Baupläne, die kombinatorische Steuerung der Enzymaktivität und einen komplexen CO2-Fixierungs-Stoffwechselzyklus (CETCH-Zyklus). Für den CETCH-Zyklus untersuchten sie einen kombinatorischen Raum von 1025 (oder 10 Billionen Billionen = 10 Quadrillionen) Bedingungen mit nur 1.000 experimentellen Bedingungen und konnten die effizienteste CO2-Fixierungskaskade aufzeigen, die bisher beschrieben wurde.

Für die Anwendung bietet die Studie neuartige Werkzeuge, um die derzeitigen Entwicklungen in der Biotechnologie, der synthetischen Biologie, dem Design genetischer Schaltkreise und dem Metabolic Engineering zu demokratisieren und voranzutreiben.

"METIS ermöglicht es Forschern, ihre bereits entdeckten oder synthetisierten biologischen Systeme zu optimieren", sagt Christoph Diehl, Co-Erstautor der Studie.  "Es ist aber auch ein kombinatorischer Ratgeber für das Erforschen komplexer Wechselwirkungen und die hypothesengeleitete Optimierung. Und was wahrscheinlich der größte Vorteil ist: Es kann ein sehr hilfreiches System für die Prototypisierung neuartiger Systeme sein, die so in der Natur noch nicht vorkommen."

METIS ist ein modulares Tool, das als Google Colab Python-Notebook läuft und über eine persönliche Kopie in einem Webbrowser genutzt werden kann, ohne dass eine Installation, eine Registrierung oder eine lokale Rechenleistung erforderlich ist. Die in der Publikation bereitgestellten Materialien können den Nutzern helfen, METIS für ihre Anwendungen anzupassen.

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