Dr. Florian Lindner erhält den MarBiNa-Preis
Der Max-Planck-Nachwuchswissenschaftler wird für seine Forschung zur Steuerung eines bakteriellen Injektionsapparates ausgezeichnet
Manche Bakterien nutzen winzige Injektionsapparate, um Proteine in andere Zellen einzuschleusen. Dr. Florian Lindner vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie hat im Rahmen seiner Doktorarbeit einen Weg gefunden, den bakteriellen Apparat mittels Licht ein- und auszuschalten. Die Technik eröffnet neue Wege in der Grundlagenforschung, aber auch für zukünftige Anwendungen in der Medizin. Für seine Leistung erhielt er am 21.03.23 den Marburger Biotechnologie- und Nanotechnologie-Förderpreis 2022 der Initiative für Bio- und Nanotechnologie e.V. (IBiNa).
Die Arbeitsgruppe „Bacterial Secretion Systems“ am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie unter Leitung von Dr. Andreas Diepold erforscht den Aufbau und die Funktion bakterieller Injektionsapparate. Diese sitzen in der Außenmembran der Bakterienzelle und werden vom Bakterium dazu benutzt, Proteine in andere Zellen zu injizieren, zum Beispiel schädliche Stoffe in Darmzellen. Die Forschung arbeitet seit einigen Jahren daran, solche bakteriellen Apparate zu nutzen, um gezielt Proteine, zum Beispiel Therapeutika, in menschliche Zellen einzuschleusen. Doch wie lässt sich das System kontrollieren, um die gewünschten Zellen zu treffen?
Dr. Florian Lindner hat im Rahmen seiner Promotion eine Lösung gefunden. Er nutzt dafür die noch junge Technik der Optogenetik: ein Protein, das auf Lichtreize reagiert, wird mit einem Element des Apparates gekoppelt. Die Lichtreize ändern die Struktur des Proteins und stoppen die Funktion des Apparats. Dieser Prozess ist umkehrbar, wie ein Schalter, der einen Stromkreis kurzzeitig unterbricht.
Für seine Leistung gewann Florian Lindner den Marburger Biotechnologie- und Nanotechnologie-Förderpreis 2022, den Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies im Marburger Rathaus überreichte. Die Initiative für Bio- und Nanotechnologie e.V. (IBiNa) fördert damit junge Wissenschaftler auf dem Gebiet der Bio- und Nanotechnologie und zeichnet sie für ihre herausragenden Arbeiten aus.
Den Preisträger reizte vor allem die innovative Herausforderung seiner Arbeit, wie er sagt: „Am Anfang stand eine Idee, aber es war noch unklar, ob es klappt. Umso mehr freue ich mich jetzt über diese Auszeichnung.“
Das Ziel der optogenetischen Schaltung ist ein essentieller Bauteil, der nicht an die Außenhülle des Bakteriums gebunden ist. Dass er sich frei im Zellinneren bewegt und ständig ausgetauscht wird, ermöglicht dem Bakterium eine schnelle Kontrolle des Injektionsgeschehens in der natürlichen Umgebung, dem menschlichen Verdauungssystem. Indem sie auf den Säuregrad des Magenmillieus reagieren, geben die Bakterien ihre wertvolle Ladung erst im basischen Dünndarm ab, wie die Arbeitsgruppe um Andreas Diepold in vergangenen Arbeiten aufdeckte.
„Mit unserer Technik holen wir das Protein kurzzeitig aus dem Geschehen und können weiterhin die Funktionsweise des Apparates untersuchen. Das ist gerade bei dynamischen Vorgängen sehr hilfreich“, sagt Florian Lindner.
Die Forschenden waren überrascht, wie gut die Methode funktionierte. „Indem wir das Protein lichtgesteuert vom Injektionssystem fernhielten, konnten wir die Funktion des ganzen Apparats ausschalten. Das hatten wir so nicht erwartet.“ Doch der Weg bis dahin war schwierig. „Wir haben viele optogenetische Schalter ausprobiert, die nicht funktionierten. Der Durchbruch kam durch Zufall. Wir merkten, dass das Verhältnis zwischen zwei Teilen des optogenetischen Schalters stimmen muss,“ erklärt Lindner.
Die Methode eröffnet auch neue Wege für zukünftige Anwendungen in der Medizin, zum Beispiel der Krebsforschung, wie Forschungsgruppenleiter Andreas Diepold betont: „Unsere Vision ist, den Injektionsapparat, den die Bakterien eigentlich nutzen, um schädliche Proteine in Wirtszellen einzuschleusen, durch die optogenetische Kopplung als „Therapeutic Delivery Tool“ zu gebrauchen. Damit könnte man gezielt Therapeutika in Zellen einbringen, zum Beispiel in Krebszellen.“
Mittlerweile hat die Max Planck Innovation die Technik patentiert. Was daraus zukünftig vielleicht entsteht, ist derzeit noch unklar. Im Rahmen zweier Kooperationen mit Onkologie-Laboren der Philipps-Universität Marburg hat das Forscherteam untersucht, wie die Ladung biochemisch beschaffen sein muss, damit sie in die Krebszelle gelangt. Es gelang dem Team sogar, Apoptose-induzierende Proteine, also ein Stoff, der den Tod der Krebszelle bewirkt, lichtgesteuert in eine Krebszellinie einzubringen und die Zellen zum Absterben zu bringen.
Florian Lindner hofft, dass andere Forscherinnen und Forscher die Ergebnisse weiterführen können. „Für weitere Studien muss die Tragfähigkeit des Systems im Mausmodell bewiesen werden. Das zu entwickeln ist nicht einfach und braucht Zeit. Hier hoffe ich auf zukünftige Kooperationen, die diese Arbeiten weiterführen.“